Die Frühlingssession des Ständerats begann mit einem tragischen und einem musikalischen Ereignis:
Das tragische Ereignis war der Bergsturz von Blatten, dessen wir zur Eröffnung gedachten. Die Nationalratspräsidentin und ich drückten der betroffenen Bevölkerung in unseren Eröffnungsansprachen unsere Anteilnahme aus, aber auch unsere Dankbarkeit für die lebensrettende Prävention und Evakuation und für die Solidarität des Landes. Diese zeigte sich nicht nur in zahlreichen privaten Spenden, sondern auch in einem dringlichen Bundesgesetz mit einem Beitrag von 5 Millionen Franken zur Soforthilfe.
Das musikalische Ereignis war der Ausserrhoder Abend, mit dem wir den ersten Sessionstag auf dem Balkon des Präsidenten-Büros ausklingen liessen: Als Ehrengäste dabei waren alt Regierungsrat Alfred Stricker sowie Sänger des Appenzeller Vereins Bern. Zusammen brachten wir dem ganzen Ständerat das Zäuerlen und Talerschwingen bei; so viel Harmonie war noch selten im Bundeshaus. Es war übrigens nicht der einzige musikalische Anlass: Als Präsident der Bundeshaus-Band hatte ich das Vergnügen, dem Rat das neue Parlamentarier-Liederbuch zu überreichen. Eingeweiht wurde es am traditionellen Liederabend der Bundeshausband, parteiübergreifend begleitet von Piano und Gitarren.
Volksinitiativen und deren Umsetzung
Als Ratspräsident äussere ich mich zwar traditionsgemäss nicht inhaltlich zu den Geschäften der Session. Was aber auffiel, war die grosse Zahl von Volksinitiativen, die wir zu beraten hatten: Zur Individualbesteuerung, zu einer nationalen Erbschaftssteuer, zu einer allgemeinen Dienstpflicht und zur Neutralität. Drei dieser Vorlagen sind nun bereit für die Abstimmung; bei der Neutralität diskutieren die Räte noch über einen allfälligen Gegenentwurf.
Indirekt berieten wir auch eine weitere Initiative: Im Rahmen der Finanzierung der (schon beschlossenen) 13. AHV-Rente beschloss der Ständerat eine Vorratsfinanzierung für eine noch zu beratende Initiative zu den AHV-Renten von Ehepaaren. Ins Auge stach dabei nicht nur das aussergewöhnliche zeitliche Vorgehen, sondern auch das Volumen von rund 8-9 Milliarden Franken, das die Vorlage umfassen soll. Sie geht nun an den Nationalrat.
Von den zahlreichen weiteren Geschäften sei eines noch erwähnt, da es eine Motion von mir umsetzt (ich durfte allerdings als Präsident nicht mitdiskutieren): Der Ständerat stimmte geschlossen einer Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe zu. Sie wird damit besser mit der Verwahrung abgestimmt und auch etwas verschärft, weil eine bedingte Entlassung neu erstmals nach 17 Jahren (heute: 15) zulässig wird. Damit wird sie stärker von der zweithöchsten Strafe, der 20-jährigen Freiheitsstrafe, abgegrenzt, aus der man nach 13.3 Jahren entlassen werden kann.
Ratsleitung, Repräsentation, Reisetätigkeit
Den Ständerat zu leiten, ist eine wunderschöne Aufgabe. Sie erfordert allerdings einiges an Vorbereitung (um die Geschäfte gut zu planen), Aufmerksamkeit (um auf Unvorgesehenes zu reagieren) und diplomatischem Geschick (namentlich um Langredner etwas im Zaum zu halten). Auch in der Sommersession konnten wir so nahezu alle Geschäfte erledigen.
Zur Aufgabe gehören aber auch erfreuliche repräsentative Aufgaben: So durfte ich etwa beim Besuch einer bekannten Zürcher Schokoladenfabrik deren Chef Ausserrhoder Schokolade überreichen oder mit einem Jass feiern, dass endlich wieder einmal ein Ständerat das Parlamentarier-Jassturnier gewonnen hat; der Pokal steht nun in meinem Büro (gewonnen hat ihn aber der Thurgauer Köby Stark).
Zu den Repräsentationsaufgaben gehören auch internationale Kontakte, sei es in der Schweiz oder im Ausland. So reisten wir vor der Sommersession je mit einer Delegation für eine Woche nach Brasilien, wo wir neben dem Senatspräsidenten und dem Aussenminister - die Schweiz verhandelt aktuell ein Freihandelsabkommen mit der Region - auch die Schweizer Gemeinschaft trafen. Eine weitere Reise führte nach Rom zu beiden Parlamentskammern und nach Lampedusa, wo ein europarelevanter Flüchtlings-Hotspot liegt. Schliesslich reisten die Nationalratspräsidentin und ich nach Budapest zur Konferenz der europäischen Ratspräsidenten, wo ich mich auch auf die Spuren des Ausserrhoder Juden-Retters Carl Lutz begab.
Ich freue mich bereits auf die Herbstsession, allerdings mit einem lachenden und weinenden Auge: Es wird bereits meine letzte als Ratspräsident sein, so schnell vergeht die Zeit. Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, bis dahin einen erholsamen Sommer und danke für Ihr anhaltendes Vertrauen.